Die Geschichte der Holzkorporation Zollikon

Fast so alt wie die Eidgenossenschaft

Wer im Zolliker Wald joggt oder auf dem beliebten Panoramaweg zwischen Zürich und Küsnacht wandert, bewegt sich auf sehr geschichtsträchtigem Boden. Im Spätmittelalter, als Zollikon etwa 250 Einwohner zählte, wurden alle Dorfgenossen auch zu Holzgenossen: Der 30. April 1330 – das ist der Gründungstag der Holzkorporation Zollikon, die es nach fast 700 Jahren noch immer gibt. Die Zolliker Holzgenossen schrieben damals nicht nur Geschichte, weil sie gemeinsam Besitzesverhältnisse und Waldnutzung nach dem Motto „Gemeinnutz vor Eigennutz“ regelten; einmalig war es zu jener Zeit, dass eine Dorfgemeinschaft als Rechtspersönlichkeit auftrat. Vor der Gründung der Holzkorporation Zollikon hatten nur die Städte Zürich und Winterthur ihren Willen und ihre Ziele in Urkunden festgeschrieben. Deshalb kann die Zolliker Gründungsurkunde, so der Zürcher Staatsarchivar Otto Sigg, „als unvergleichliches Denkmal zürcherischer und schweizerischer Gemeindeautonomie“ gelten; Zollikon ist damit die älteste Gemeinde des Kantons Zürich. Und die Holzkorporation Zollikon ist als die älteste Waldkorporation der Schweiz in die Geschichte eingegangen! Hans Michael Riemer, Professor an der Universität Zürich, schrieb 1993 in seinem Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch: „Die bekanntesten Korporationen mit Teilrechten sind die ‚Holzkorporationen‘ genannten Waldkorporationen (unter welchen die 1330 gegründete ‚Holzkorporation Zollikon‘ die älteste ist).“

Mit dem Zusammenschluss von 1330 – nur 39 Jahre nach der Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft – wurde nicht etwa eine neue Wirtschaftsform erfunden; die genossenschaftliche Organisation entsprach, wie dies auch bei der Zolliker Allmend der Fall war, alt-alemannischen Gebräuchen.

Holz als Existenzgrundlage

Der Waldbesitz könnte durch Erbteilung oder Verkauf an Auswärtige derart geschmälert werden, dass den Zolliker Bauern ein wichtiger Teil ihrer Existenzgrundlage entzogen würde: Diese Angst hatte bei der Gründung der Holzkorporation grosses Gewicht, denn der Wald lieferte viel Unentbehrliches: Bauholz für Haus und Scheune, Brennholz für Küche und Ofen, Werkholz für landwirtschaftliche und häusliche Geräte, Stickel für Reben, Latten für Zäune, Eichenstämme für Brunnentrog und Brunnenstud, Föhrenstämme für Tüchel (Wasserleitungen), Laub für Bettdecken und Kissen, Wildfrüchte für den Menschen und die im Wald weidenden Tiere, Holz für Schreiner, Küfer und Fischer.

Die Zolliker Bauern übertrugen die Oberaufsicht über ihren Wald nach der Gründung der Holzkorporation nicht etwa einem Mann mit Rang und Namen; sie wählten aus ihrer Mitte zwölf Männer (Geschworene), und zwar auf Lebzeiten – eine Bestimmung, die immer wieder Anstoss erregte, weshalb der zwölfköpfigen Vorsteherschaft zur Kontrolle des jährlichen Holzschlags drei „gewöhnliche“ Holzgenossen beigegeben wurden.

82 1/2 Teilrechte gehören 70 Eigentümern

Nach dem Zusammenbruch der Alten Eidgenossenschaft im Jahr 1798 erhielt die Holzkorporation Zollikon privatrechtlichen Charakter, doch jahrhundertealte Rechte liessen sich nicht einfach mit einem Federstrich beseitigen. Bis zum heutigen Tag ist die Korporation erhalten geblieben, und sie hat nach wie vor grosses Gewicht, wenn man die Besitzverhältnisse im Wald von Zollikon und Zollikerberg vergleicht: Von den insgesamt rund 286 ha Wald gehören 179 ha (63%) der Holzkorporation, 24 ha dem Bürgerverband Alt-Zollikon (hat seine Wurzeln in der einstigen Zivilgemeinde Zollikon Dorf) und 18 ha der Politischen Gemeinde. 65 ha (weitgehend im Zollikerberg) sind im Besitz von Privaten.

Die 82 1/2 Teilrechte der Holzkorporation verteilen sich heute auf 70 Eigentümer und Eigentümerinnen. Mit 12 Teilrechten ist die Stadt Zürich grösste Teilrechtsbesitzerin. Die Holzkorporation selber besitzt 7 1/4 Teilrechte, der Bürgerverband Alt-Zollikon hat 6 und die Gemeinde Zollikon 4 1/2. Die einzelnen Teilhaber stammen ursprünglich aus alten Zolliker Familien, mit dabei sind in der Zwischenzeit auch Auswärtige, denn die Teilrechte sind frei handelbar. Die Korporation besitzt allerdings ein Vorkaufsrecht, ausser bei Teilrechten, die von Käufern erworben werden, sie schon Teilhaber sind, oder wenn Teilrechte an direkte Nachkommen vererbt werden. Laut Statuten ist beim Übergang von Teilrechten an bisherige Teilhaber oder an direkte Nachkommen bisheriger Teilhaber die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen. Es gibt also auch Verkäufe, bei denen das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden kann (Käufer ist schon Teilhaber), dafür aber auch Erbgänge, bei denen das Vorkaufsrecht besteht: zum Beispiel bei Vererbung an Nichten/Neffen.

In den Statuten von 1978 heisst es: „Die Korporation bezweckt die gute Pflege und vorteilhafte Bewirtschaftung ihrer Waldungen, Liegenschaften und übrigen Vermögenswerte.“ Die Korporation macht Ausschüttungen an die Teilhaber. Während vieler Jahre waren dies 400 Franken pro Teilrecht und Jahr. Seit 2011 sind es pro Teilrecht jährlich 1800 Franken.

Bund und Kanton machen Vorschriften

Es sind keine Geschworenen mehr, die heute im Wald das Sagen haben. Die fünfköpfige Vorsteherschaft – Präsident der Holzkorporation ist Thomas Hildbrand – hat sich schon lange nach der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung und den konkreten Wirtschaftsplan-Vorgaben des Kantons zu richten. Verschwunden ist auch der Frondienst, den die Teilhaber einst zu leisten hatten. Von der Forsthütte „Feufbüel“ aus wirkt Revierförster Arthur Bodmer mit den vier bis sechs Angestellten der Holzkorporation (Forstwart-Lehrlinge eingeschlossen) und den temporär eingesetzten Akkordgruppen. Arthur Bodmer ist bei der Holzkorporation seit Oktober 1986 im Amt; er hat damals Fritz Volz (Förster ab Oktober 1955) abgelöst.

Der Revierförster führt nicht nur den Forstbetrieb im Korporationswald; er und seine Equipe arbeiten im Auftragsverhältnis auch für Dritte, zum Beispiel für den Bürgerverband Alt-Zollikon, für die Gemeinde Zollikon und für Besitzer von Privatwald. Auch Aufträge in Gärten von Privaten werden durch das Team der Holzkorporation übernommen.

Mit Wohnungen Defizite auffangen

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die wirtschaftliche Lage der Waldbesitzer um einiges verschlechtert. Die stark gestiegenen Lohnkosten trugen wesentlich dazu bei. Deshalb musste sich die Holzkorporation über ihren Fortbestand eingehend Gedanken machen. In der Vorderen Rüterwies, Im Ahorn, besass sie seit dem Zweiten Weltkrieg Wiesland, das bei der Rodung von Wald im Rahmen der Anbauschlacht (Plan Wahlen des Bundesrats) entstanden war. Dort, wo man einst Kartoffeln geerntet hatte, baute die Holzkorporation 1970/71 vier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 48 Wohnungen. Das Betriebsergebnis dieser Überbauung machte es möglich, Defizite aus der Waldbewirtschaftung aufzufangen und damit den Weiterbestand der Holzkorporation zu sichern. Erfreulich ist, dass die Forstrechnung in den letzten Jahren nicht mehr mit Defiziten abschloss.

Sehr geschichtsträchtig sei der Zolliker Wald, heisst es am Anfang dieser historischen Abhandlung. Das wissen heute wohl nur ganz wenige Jogger, Wanderer und Spaziergänger, die Tag für Tag im grossen, einzigartig schönen Wald vor den Toren Zollikons und der Stadt Zürich „auftanken“. Der fast 700 Jahre alten Holzkorporation Zollikon ist es zu verdanken, dass der Wald in der ältesten Zürcher Gemeinde bis heute nicht nur bewirtschaftet, sondern auch umfassend gepflegt wurde – zum Wohle der Menschen, die Ruhe und Erholung suchen. Wilfried Maurer

Die Quellen, die für diese geschichtliche Abhandlung benützt worden sind:

  • Das alte Zollikon (Alexander Nüesch, Heinrich Bruppacher), 1899
  • Die Holzkorporation Zollikon (Albert Heer), 1928
  • Die Statuten der Holzkorporation Zollikon (1978)
  • 650 Jahre Holzkorporation – nicht einfach ein Vereinsjubiläum (Emil Walder), Zolliker Jahrheft 1979
  • Die Holzkorporation heute (Rudolf Heer, Präsident der Holzkorporation), Zolliker Jahrheft 1979
  • Die Holzkorporation Zollikon und die sozialen Spannungen im frühen 19. Jahrhundert (Otto Sigg, Staatsarchiv Zürich), Zolliker Jahrheft 1979
  • Beile und Gerter – eigenartige Zolliker Masse (Rudolf Trüb), Zolliker Jahrheft 1979
  • Unser Förster und sein Wald (Hermann Klöti über Fritz Volz), Zolliker Jahrheft 1981
  • Die letzten Rodungen im Zolliker Wald (Martin Hübner), Zolliker Jahrheft 1988
  • Zollikon – eine Heimatkunde (Urs Bräm), Lehrmittel für die Mittelstufe der Zolliker Schule, herausgegeben von der Schulpflege, 1990
  • Angaben von Arthur Bodmer, Revierförster der Holzkorporation Zollikon, 2013